Mathematik und Angeln

Mark de Koning17.02.2017


"Oh Gott, mit Mathe habe ich nichts am Hut!" Das hört man immer wieder, dabei ist diese vielfach gescholtene Disziplin auch bei unserem schönen Hobby Angeln außerordentlich nützlich. Hier sind zwei Beispiele:

1. Der Schnureinzug einer Angelrolle

Wir werden immer wieder gefragt, wieviel cm eine Rolle bei einer Kurbelumdrehung einholt. Manche Hersteller geben diese Daten mittlerweile an, bei den meisten Rollen fehlt dieser Wert jedoch. Der Schnureinzug lässt sich aber ganz einfach näherungsweise (der Spulenhub wird dabei nicht berücksichtigt) berechnen, wenn man in der Schule aufgepasst hat: Dazu braucht man lediglich den Durchmesser d der mit Schnur gefüllten Spule zu messen. Dann wird dieser Wert zunächst mit π ("pi", näherungsweise 3,14159) multipliziert, wodurch sich der Umfang des Schnurblocks ergibt: U = dπ. Anschließend multipliziert man den Umfang noch mit dem Übersetzungsverhältnis der Rolle und erhält dann den Schnureinzug.

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Diese Angelrolle hat beispielsweise ein Übersetzungsverhältnis von 5,3:1. Der Durchmesser des Schnurblocks ist etwa 4,466cm. Damit ergibt sich für die Rolle bei einer Kurbelumdrehung ein Schnureinzug von ca. 4,466cm x 3,14159 x 5,3 = 74,36cm.

Die Berechnungsformel ist für alle Rollentypen gleich, egal, ob es sich dabei um Stationär-, Multi-, Kapselrollen oder auch um Rollen mit einer Übersetzung von 1:1, z.B. Nottingham- und Fiegenrollen, handelt.

Natürlich hängt das Ergebnis vom Füllungsgrad einer Rolle ab, da jener direkte Auswirkung auf den Durchmesser des Schnurblocks hat. Anders gesagt ist der Schnureinzug bei einer Rolle umso höher, je voller sie mit Schnur gefüllt ist. Wer schon einmal in Norwegen mit einer Multirolle in sehr großer Tiefe geangelt hat, weiß wovon ich rede: Die Rolle wird bei gleichmäßigen Hochholen mit zunehmenden Füllungsgrad immer schneller.


2. Die Auswirkung des Durchmessers auf die Tragkraft einer Angelschnur

Vereinfachend betrachten wir an dieser Stelle zunächst nur eine monofile Angelschnur. Wenn wir jene glatt durchschneiden, sehen wir unter der Lupe an der Schnittstelle einen kleinen Kreis.

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Die Fläche A des Kreises können wir wieder mit einfacher Schulmathematik berechnen: A = π(d/2)² = πd²/4, wobei wir den Durchmesser d und die Zahl π schon aus Abschnitt 1 kennen.

Allein aus der Betrachtung der Formel wird klar, dass der Durchmesser eines Kreises in die Berechnung der Fläche quadratisch eingeht. Bei doppeltem Durchmesser erhält man beispielsweise einen Kreis mit einer vierfachen (2² =4) Fläche. Wichtig zu wissen ist nun, dass die Tragkraft einer Schnur direkt proportional zu der Fläche ihres Querschnitts ist. Eine um 20% dickere Schnur gleichen Materials hat somit beispielsweise eine 44% höhere Tragkraft, da 1,2 x 1,2 = 1,44 ergibt!

Sobald eine neue Angelschnur mit besonders hoher Tragkraft auf den Markt kommt, messen wir zunächst immer erst ihren wahren Durchmesser mit einem Mikrometer. Oft resultiert die besondere Stärke nämlich aus einem besonders untertriebenen Durchmesser. Allerdings sind die meisten Angaben zu Schnurdurchmessern untertrieben, bei einigen Anbietern aber mehr als bei anderen.

Aus den vorangegangenen Erläuterungen wird klar, dass sich ein wenig Schummeln bei der Angabe des Schnurdurchmessers für einen Schnurhersteller aufgrund der starken (quadratischen) Wirkung auf die Tragkraft schnell lohnt!

Bei der Betrachtung einer geflochtenen Angelschnur gilt im Prinzip zunächst derselbe Zusammenhang wie bei einer monofilen Schnur. Allerdings lässt sich zum einen der effektive Durchmesser schlecht ermitteln, da man die Schnur zumindest beim mechanischen Messen zusammendrückt. Zum andern handelt es sich bei der Fläche des Querschnitts einer geflochtenen Angelschnur eigentlich um die Summe vieler Einzelflächen, da sie aus vielen Einzelfäden besteht. Daher können wir die oben beschriebene Berechnungsweise an dieser Stelle nur als grobe Näherung ansehen. Der Anreiz zum Schummeln ist bei den geflochtenen Angelschnüren unter anderem wegen der Messproblematik aber noch bedeutend höher als bei den monofilen Schnüren.

Also Angler, Augen auf beim Schnurkauf und nicht blind den Angaben zum Durchmesser trauen!

Wir haben in der Angelgerätebranche übrigens schon Fälle gesehen, bei denen auch die Tragkraft der Schnur nicht stimmen konnte. Recherchen haben dann ergeben, dass nicht von lbs in kg umgerechnet, sondern die Werte einfach übernommen worden sind. Aus einer Schnur mit einer Tragkraft von 8lbs (0,45359kg x 8 = 3,62872 kg) wurde plötzlich eine bärenstarke 8kg Angelschnur!


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